„Hallo, ich bin Lina. Vor acht Jahren zog die erste Wolke auf meiner Hand auf. Plötzlich war da eine weiße, scharf abgegrenzte Fläche, die in der Sonne nicht mehr braun wurde. Zu der Zeit studierte ich seit zwei Jahren und fragte mich – wie wahrscheinlich jeder mit Anfang 20 –, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Damals hatte ich ziemliche Angst, mit einem falschen Schritt meine ganze Zukunft in eine falsche Richtung zu lenken. Überhaupt hatte ich große Angst vor Fehlern. Es blieb dann nicht bei der einen Wolke auf meiner Hand. Auch auf meinen Armen und Beinen, am Bauch und im Gesicht erbleichten immer mehr Areale.
Irgendwann ging ich zu einer Hautärztin , die mir lapidar die Diagnose Vitiligo (Weißfleckenkrankheit) mitteilte und mir einen starken Sonnenschutz mit auf den Weg gab. Die betroffenen Stellen haben nämlich keinerlei eigene Abwehr gegen UV-Strahlen mehr. Vitiligo ist weder ansteckend noch gefährlich. Es ist ein unerklärliches Ausfallen der Melanozyten, der Pigmentzellen. Sie sterben einfach ab. Noch ist nicht erforscht, warum das passiert. Man vermutet, dass Stress ein Auslöser sein könnte.
Heute sehe ich die weißen Wolken auf meinem Körper als Hinweis an mich selbst: Pass auf dich auf und entspann dich! Sie erinnern mich daran, dass wir viele Dinge weder verstehen noch kontrollieren können. Sie sind einfach da – und wir müssen mit ihnen umgehen. Die weißen Stellen gehören nun eben zu mir, wie mein Bauchnabel oder meine Haarfarbe. Ich sage jetzt manchmal scherzhaft zu meinem Mann: „Du kanntest mich schon, als ich noch unbefleckt war.“Und dann lachen wir gemeinsam und die Flecken sind plötzlich unwichtig.